(auszug)
"Ich
lerne das Führen eines heilsamen Selbstgesprächs von meiner Freundin Elisabeth.
Sie arbeitet in ihrer psychotherapeutischen Praxis die meiste Zeit stark
körperbezogen und hilft mir über eine Methode, die sich Focusing nennt, mit
meinen Körpersymptomen in einen guten, selbstreflexiven Kontakt zu kommen.
Wir
sitzen uns in ihrer Praxis auf bunten Polstern am Boden gegenüber.
„Schließ
die Augen und wende deine Aufmerksamkeit nach innen.“ sagt sie. „Wohin zieht es
dich? Lass dir Zeit zu atmen und zu spüren. Wo im Körper meldet sich etwas, das jetzt deine Beachtung
möchte?“
Ich
wende mich nach innen, atme und warte. Meine Aufmerksamkeit ähnelt einem
Radarschirm – nur dass das Universum diesmal innen liegt. Tatsächlich - ein
Körpergefühl entsteht.
„Da
in meinem Brustkorb merke ich etwas. Es ist ganz fest, ganz dicht.“
„Gut.
Spüre dich näher hin, beschreibe genauer wie es sich anfühlt.“
„Es
ist – hart, richtig hart und flach wie eine Platte. So groß wie zwei
Handflächen vielleicht. Wie eine Eisenplatte direkt am Brustbein. Ah, das ist
unangenehm.“
„Nicht
beurteilen“ sagt Elisabeth. „Nur die Empfindung wahrnehmen und beschreiben.
Atmen. Setz dich innerlich dazu wie zu einem guten Freund. An dem würdest du
auch nicht gleich herumzerren oder ihn verändern wollen, hm? Bleibe
freundlich zugewendet und neutral.
Nimm dir genug Zeit, spür´ dich noch feiner hin.“
„Die
Platte ist direkt über meinem Herzen.“ sage ich nach einer Weile. „Sie ist
richtig fest – wie ein guter Schutz. Da geht nichts durch.“
„Ein
guter Schutz also“, sagt Elisabeth „Okay. Mach weiter so. Bleib´ liebevoll und
absichtslos mit diesem guten Schutz. Vielleicht ergibt sich eine Bewegung oder
Veränderung?“
Ich
lege eine Hand auf mein Herz, spüre Aufregung - ja, da ist ein Bewegungsimpuls! Es geht nach vorne, ich
beuge mich weit vor. Meine Stirn erreicht den Boden und ich lege meine beiden
Arme rund um mich.
„Hier
ist es gut wie in einer sicheren Höhle“ sage ich hinaus zu Elisabeth.
„Was
ist denn so sicher in dieser Höhle?“ fragt sie zurück.
Ich
spüre längere Zeit in meine Höhle hinein. Nach und nach kommen Gefühle und
Bilder.
„Ich
fühle mich da drinnen sicher und geborgen. Es ist absolut ruhig hier. Ich fühle
mich wie ein kleines Kind, vielleicht vier Jahre alt. Hierher habe ich mich
zurückgezogen, denn hier habe ich meine Ruhe. Keiner stört mich. Niemand sagt
mir welche Gefühle ich haben soll. Ich habe hier alle meine eigenen Gefühle
so lange ich es will. Und weißt du
was? Ich werde gerade richtig stolz auf mich, dass ich mir als kleines Kind
eine so tolle Höhle gebaut habe!“
„Du
hast da alle deine eigenen Gefühle“ bestätigt Elisabeth. „Keiner stört dich
oder will dir etwas anderes einreden. Ganz schön klug von dir, so eine Höhle zu
bauen.“
Es ist wahr. Ich richte mich auf. Tränen laufen über mein Gesicht und
ich bin so stolz auf mich wie noch nie zuvor. Es ist das erste Mal, dass ich
mich in der Erinnerung nicht als arm und hilflos erlebe, sondern als ein klug
und kompetent für sich selbst sorgendes kleines Menschenwesen. Bisher hatte ich
gedacht, ich wäre den Wirren meiner Kindheit ohnmächtig ausgeliefert gewesen.
Wie ein Flugzeug in der Schubumkehr ändert mein Denken gerade die Richtung –
diese Höhle beweist dass ich als Kind klug, stark und selbstwirksam gewesen
bin. Ich habe es nur noch nie bemerkt."