im (zweiten) kapitel "nicht mit mir" bin ich wild entschlossen, mir selbst zu helfen
(auszug)
(auszug)
"Ich
will meiner Angst die Stirne bieten, ihr eine Grenze zeigen. Die Angst kann mit
mir überall hingehen und mich behindern, wie sie will, aber ich entscheide wo
wir hingehen und was wir tun, nicht die Angst. In einem spontanen Anfall von
Mut beschließe ich genau das zu tun was mich im Moment am meisten ängstigt:
Auto fahren.
Ich
setze mich in den Wagen, fahre langsam und bedacht. Mir ist übel und schwindlig
aber ich fahre sogar auf die Autobahn. Ganze 40 Kilometer schwitze ich bis in
die Stadt, dort stelle ich das Auto absichtlich in die zweite Ebene einer Tiefgarage. Ich habe im Internet
viel über Platzangst gelesen, die häufig als Folge von Panikattacken entsteht.
Nicht mit mir, denke ich herausfordernd, und wenn ich da drinnen sterbe. Jetzt
geschieht was ich für richtig halte, und nicht, was mein Herzrasen vielleicht
möchte. Ich gebe keinen Zentimeter nach.
In
der Innenstadt zwänge ich mich in mehreren Geschäften hintereinander in die
Umkleidekabine und probiere atemlos Pullover, Kleider, Mäntel. Es ist egal, ob
die Sachen passen oder nicht, ich will nichts kaufen. Ich will mir beweisen,
dass ich - ja was eigentlich? Bei
Peek & Cloppenburg kämpfe ich mich aus einem engen schwarzen Pullover und
sinke erschöpft auf das Bänkchen der Umkleide. Ich könnte plötzlich heulen.
Es
war eine dumme Idee, hier herzukommen. Es funktioniert nicht. Was habe ich mir
nur eingebildet - stärker zu sein
als die Angst? Das heftige Gefühl lässt sofort Wellen von Schwindel und Atemnot
aufsteigen. Woher kommt das verdammt noch mal? Ich kämpfe gegen die
Empfindungen an so gut ich kann. Nur jetzt nicht überwältigt werden! Nicht
umfallen, nicht japsend am Teppichboden liegen müssen unter den Augen der
stylischen Verkäuferinnen! Ich
würde mich auf ewig schämen.
Auf
einmal schieben sich andere Ideen zwischen den Schreckensbildern hervor: Ich
bin ein dicker Sumoringer und kämpfe mit erhobenen Fäusten und wild stampfend
gegen unsichtbare Geister – nein, ich bin Jakob aus der Bibel, der in finsterer
Nacht mit Gott kämpft und mit ihm ringt auf Leben oder Tod und ihn schließlich
festhält und ihm sagt: “Ich lasse dich nicht, bevor du mich nicht
segnest.“
Ich
bin nicht religiös, aber dieser Gedanke gefällt mir. Angenommen ich ringe mit
meiner Angst wie Jakob einst mit Gott? Meine Panikattacken wären eine Prüfung,
die ich bestehen kann? Sie würden einen tieferen Sinn in sich bergen, Anzeichen
einer notwendigen, guten Entwicklung sein?
Ich
erinnere mich an einen Satz aus einer Internetseite, den ich heute gelesen
habe: dass es darum gehe, der Verführung der Angst entschlossen zu widerstehen
aber dennoch ihre Botschaft zu hören.
Über
diese Gedanken wird mein Atem langsam wieder freier, ich kann aufstehen und die
Umkleidekabine verlassen. Ich schaue geradeaus nach vorn und sehe mich nicht
um, ob mich jemand beobachtet.
Zu
Hause wartet schon mein Mann. Er hat sich Sorgen gemacht und weiß nicht so recht,
was er von meinem Ausflug halten soll. „Vielleicht solltest du doch bald zum
Doktor gehen.“ sagt er."
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